Sie improvisieren mit Charme und kommentieren mit Leidenschaft. Die jungen Webstars lassen den Online-Videomarkt boomen. Hollywood brauchen sie nicht. Ihre Bühne ist das World Wide Web. Ihre professionellen Partner sind die Multi-Channel-Networks. Mit der Übernahme von Collective Digital Studio in Los Angeles und der Zusammenführung mit Studio71 unter einer Dachmarke sichert sich ProSiebenSat.1 den Zugang zur weltweiten Kreativszene — und zu einem lukrativen Wachstumsmarkt für Premiuminhalte.
Digital & Adjacent: Boom der Multi-Channel-Networks
Eine enge Straße schlängelt sich zu dem weißen, unscheinbaren Gebäude. Von Hollywood-Glamour ist in Burbank, ein paar Meilen nördlich der großen Filmstudios, wenig zu spüren. Michael Green, CEO und Gründer des Multi-Channel-Networks Collective Digital Studio (CDS), sitzt in seinem Büro. Es ist ein ruhiger Tag. Gerade hat er mit München telefoniert — über seine Körpermaße. Green lacht. Wie genau es diese Deutschen nehmen, selbst wenn es nur um ein paar Bier geht. Dass er eine Hose aus weichem Rindsleder tragen soll, okay. Nun soll sie ihm noch auf den Leib geschneidert werden. Es geht aufs Oktoberfest, zum ersten Mal in seinem Leben.
Aufstieg in die globale Top-Liga: Studio71 expandiert in die USA
2015 hat ProSiebenSat.1 seine Beteiligung an CDS um 50 Prozent auf 75 Prozent erhöht und das Multi- Channel-Network mit Studio71 zusammengeführt. Studio71 ist ein Tochterunternehmen der ProSiebenSat.1 Group und das größte Multi-Channel-Network im deutschsprachigen Raum. Beide Studios verbindet eine gemeinsame Vision: mit großen Web-Talenten Premium-Content zu produzieren, zu distribuieren und weltweit zu vermarkten.
Global Player
>1.400 Channels
und 3,5 Mrd Videoabrufe im Monat zählt Studio71, das globale Multi-Channel-Network von ProSiebenSat.1 mit Standorten in Los Angeles, New York, Toronto, London, Berlin und Wien. Das wachstumsstarke Multi-Channel-Network hat sich auf Premium-Content spezialisiert. In nur zwei Jahren avancierte Studio71 zum Marktführer in Deutschland. 2015 hat ProSiebenSat.1 mit CDS eines der führenden US-amerikanischen Multi-Channel-Networks übernommen und mit Studio71 zusammengeführt. Seither gehört Studio71 auch international zu den größten Playern und rangiert weltweit unter den Top 5. Zu den bekanntesten Webstars und Formaten aus dem Studio71-Netzwerk zählen Gronkh, LeFloid, Kelly aka MissesVlog sowie Rhett & Link.
Zusammen spielen sie nun mit über 1.400 Channels und 3,5 Mrd Videoabrufen pro Monat in der globalen Liga unter den Top 5. Von Los Angeles bis nach Berlin herrscht Aufbruchstimmung: Das Marktpotenzial ist immens, das Geschäft floriert. Das Londoner Marktforschungsunternehmen Ampere Analysis taxiert den Wert aller Multi-Channel-Networks weltweit auf mehr als 20 Mrd US-Dollar.
Webstars erreichen ein Millionenpublikum. Sogar Angela Merkel kommt zum Interview
Das Internet macht’s möglich: Während TV zumeist innerhalb der Landesgrenzen bleibt, haben Web-Videos ein globales Publikum. Sie sind überall auf der Welt über Videoplattformen wie YouTube, MyVideo, Vimeo, Facebook oder Vine abzurufen. Das lässt die Märkte näher zusammenrücken. Im Sommer hat Michael Green gemeinsam mit den Berliner Kollegen von Studio71 in New York bereits die erste gemeinsame Show produziert. Bei der „Beauty Cruise“ trafen deutsche Fashion-Vloggerinnen wie Dfashion auf amerikanische Webstars wie Amber von „AmbersCloset“. Pioniergeist, wie ihn Amerikaner mögen. „Für solche Formate gibt es keine festen Spielregeln“, sagt Green.
Das Hollywood im Netz lebt von Improvisation. „Während klassische Filmstars einen Mythos um sich herum errichten, sich unnahbar geben, legen die YouTuber Wert darauf, mit ihrem Publikum auf Augenhöhe zu sein“, erklärt Green. Sie verstehen sich als Kreative — und so nennen sie sich auch: Creators. Sie sind Produzenten und Stars zugleich. Mit Starrummel à la Hollywood wollen die Video- Blogger nichts zu tun haben.
Der CDS-Manager weiß, wovon er spricht. Er kennt das Show-Business seit 30 Jahren, hat Stars von Pamela Anderson bis hin zu Enrique Iglesias gemanagt. Die US-Talente, die er heute unter Vertrag hat, nennen sich Lilly Singh alias Superwoman oder Rhett & Link. Sie sind Comedians, Gamer, Entertainer.
Home-Video-Markt
30 Mrd US-Dollar
werden 2019 im Home-Video-Markt mit elektronischen Angeboten wie Online-Videos und Streaming umgesetzt, prognostiziert das Beratungsunternehmen PwC im „Global Entertainment and Media Outlook 2015 – 2019“. Das ist doppelt so viel wie im Jahr 2014. Zu den Treibern des Wachstums zählen Multi-Channel-Networks wie Studio71 von ProSiebenSat.1. Die Videos sind auf dem konzerneigenen werbefinanzierten Online-Video-Portal MyVideo sowie auf Drittplattformen wie YouTube oder Vimeo zu sehen. Im Home-Video-Markt ist ProSiebenSat.1 zudem mit der abofinanzierten Online-Videothek maxdome sowie der 7TV App aktiv.
Quelle: PwC „Global Entertainment and Media Outlook 2015 – 2019“.
Ein Millionenpublikum begeistern auch die Webstars von Studio71: „Let’s Play“-Moderatoren wie Gronkh und Sarazar, Comedian Kelly aka MissesVlog oder Newskommentator LeFloid, der eigentlich Florian Mundt heißt. Seit seinem Interview mit Angela Merkel über deutsche Politik im Sommer 2015 ist der 28-Jährige auch klassischen TV-Zuschauern ein Begriff. Dass die Kanzlerin ihn empfangen hat, liegt an seiner stattlichen Web-Reichweite von 2,8 Mio Abonnenten. Um Trends und Talente mit einem solchen Potenzial aufzuspüren und gemeinsam erfolgreiche Formate zu entwickeln, telefoniert Sebastian Weil, Vorsitzender der Geschäftsführung von Studio71, regelmäßig mit Michael Green. Für persönliche Treffen suchen sie sich Orte aus, die inspirieren: New York, London oder eben München — zum Oktoberfest.
Gemeinsam mit den jungen Kreativen entwickelt Studio71 authentische Formate
Und natürlich Berlin. Die deutsche Hauptstadt mit ihrer Start-up- und Kreativszene ist für Sebastian Weil der ideale Ort, junge Talente zu entdecken und zu fördern. Daher hat der Manager, der Studio71 vor zwei Jahren mit seinem Team in der ProSiebenSat.1-Unternehmenszentrale in Unterföhring gegründet hat, auf den Umzug nach Berlin-Kreuzberg gedrängt. Dort, in einem Fabrikloft an der Spree, hat Weil eine eigene Welt aufgebaut, fernab der Regeln des klassischen Fernsehens. Zusammen mit den Creators werden hier Ideen entwickelt und neue Formate ausprobiert. Einer von ihnen ist Fabian Siegismund, er sitzt im „Grünen Studio“ auf einem Sessel mit einem Joystick in der Hand und sieht gebannt auf den Bildschirm, kommentiert seine Spielzüge. Die neue Folge von „Let’s Play Together“ wird gerade live gefilmt. Siegismund, YouTube-Ikone und gleichzeitig Studio71-Produzent, war bei der „World Wide Wok — Studio71 goes WOK WM 2015“ zu Gast. Auch Dner, Kelly aka MissesVlog, Sarazar und LeFloid waren dabei. Das hat die TV-Einschaltquoten der jungen Zielgruppe, die sich besonders für die Web-Videos der Creators begeistert, kräftig erhöht.
Hohe Reichweiten ziehen Markenartikler als Werbekunden und Programmpartner an
Die wachsende Popularität der Webstars wiederum zieht Werbekunden an. In Games, Beauty, Fashion, Sport und Comedy haben die Multi-Channel-Networks die Kanäle für die Vermarktung thematisch gebündelt. Der Bedarf an solchen Content-Umfeldern wird weiter steigen, prognostiziert das US-Marktforschungsunternehmen eMarketer. Das klassische Werbegeschäft ist jedoch nur eine Erlösquelle für Studio71. Branded Entertainment im Auftrag von Unternehmen ist ein weiteres Standbein, das enorm an Relevanz gewinnt. Ein Beispiel ist Coke TV, moderiert von Dner. Der 21-Jährige zählt mit 2,4 Mio Abonnenten zu den beliebtesten Vloggern in Deutschland. Produziert und distribuiert wird der Channel von Studio71, das zudem Kunden wie Sony, Axe und Amazon mit Web-Videos versorgt. Auch bei den Kollegen in den USA stehen eine Vielzahl an Markenartiklern auf der Kundenliste, etwa Procter & Gamble, Toyota und Estée Lauder. Der amerikanische Telefonie-Anbieter Verizon hat jüngst das Entertainment-Format „Elite Daily“ in Auftrag gegeben. Denn für sein mobiles Social Entertainment Network Go 90, das im Oktober 2015 gelauncht wurde, braucht das Unternehmen zugkräftige Inhalte: Live-Musik, Sport-News und Entertainment.
Die dynamische Erfolgsgeschichte der Multi-Channel-Networks geht weiter
Solche Branded-Entertainment-Formate tragen laut einer Studie von eMarketer maßgeblich zum rasanten Wachstum der Netzwerke bei. Das Berliner Marktforschungsunternehmen Goldmedia spricht sogar schon von den „Major-Studios 3.0“. Als Majors wurden in der klassischen Zeit des Hollywoodfilms Filmgesellschaften bezeichnet, die eine vertikale Verflechtung von Filmproduktion, Verleih und Kinopark aufweisen konnten wie zum Beispiel Paramount oder Metro-Goldwyn-Mayer.
Neue Geschäftschancen in Europa, Amerika und anderen Kontinenten zu nutzen sowie erfolgreiche Inhalte und Formate weltweit über die gesamte Wertschöpfungskette zu kapitalisieren, steht auf der Agenda des neuen Global Players von ProSiebenSat.1 weit oben. Auch im Lizenzhandel stecke noch großes Potenzial, ist Michael Green überzeugt, denn über internetbasiertes Fernsehen und Connected TV steige der Bedarf an Inhalten. In diesem wachstumsstarken Markt gehöre globalen Networks die Zukunft, sagt Green. Große Ambitionen, die sogar die Leinwand erobern: Jüngst hat der US-Ableger von Studio71 seinen ersten globalen Kinofilm „Natural Born Pranksters“ produziert, übersetzt heißt das so viel wie „Die geborenen Witzbolde“. Die weltweiten Vertriebsrechte wurden an das Filmstudio Lionsgate verkauft. Im Sommer 2016 wird die Komödie mit den YouTubern Roman Atwood, Vitaly Zdorovetskiy und Dennis Roady in die Kinos kommen. Die neuen Webstars stellen Hollywood auf den Kopf.<