Mit der Gründung neuer Fernsehsender kennt sich Katja Hofem aus. In der Geschäftsführung der Sendergruppe ist sie für den Auf- und Ausbau der Free-TV-Angebote verantwortlich. In den letzten fünf Jahren hat ProSiebenSat.1 mit sixx, SAT.1 Gold und ProSieben MAXX drei neue Sender erfolgreich etabliert. 2016 folgt Nummer vier.
Broadcasting German-speaking: Kleine Sender, große Erfolge
ProSiebenSat.1 wuchs 2015 in allen Segmenten schneller als ursprünglich geplant, die Finanzziele bis 2018 wurden deutlich angehoben. Welchen Beitrag leisten die neuen Sender zu dieser Entwicklung?
Katja Hofem: sixx, SAT.1 Gold und ProSieben MAXX liegen über den Erwartungen. Deshalb konnten wir auch in der Planung den Beitrag anheben, den die neuen Sender mittelfristig zum Wachstum beisteuern werden. SAT.1 Gold hat seinen Marktanteil 2015 auf 1,3 Prozent ausgebaut und damit so gut wie verdoppelt. Mit allen drei Kanälen gewinnen wir neue Kunden für den TV-Werbemarkt.
ProSiebenSat.1 hat in fünf Jahren drei neue Sender gestartet und bedient damit nahezu jede demografische Gruppe. Ist noch Platz für weitere Free-TV-Kanäle?
Katja Hofem: Der Launch von sixx im Jahr 2010 war der Startschuss für eine neue Welle von Pionier- und Gründerjahren, die viele dem Privatfernsehen nicht mehr zugetraut haben. Man muss natürlich aufpassen, dass man in zehn Jahren nicht beim Angelsender für den sensiblen Mann mit Bart zwischen 18 und 24 Jahren landet. Uns ist es bisher gut gelungen, das Lebensgefühl neuer Zielgruppen anzusprechen: Bei sixx ist es die jung gebliebene Frau, bei ProSieben MAXX der urbane Mann und bei SAT.1 Gold die nostalgische Frau. Wir haben die Fragmentierung mit angestoßen und werden weitere Nischen besetzen.
Fehlen also noch die reiferen Männer?
Katja Hofem: Wir sehen definitiv Potenzial bei Zuschauern, die sich derzeit bei den öffentlich-rechtlichen Sendern finden. Sie sind zwischen 40 und 65 Jahre alt, überwiegend männlich und interessieren sich für das Genre Dokumentation. Bei unseren Vorbereitungen für den ersten reinen Free-TV-Dokusender sind wir 2015 einen großen Schritt weitergekommen. Wir wollen im 2. Halbjahr 2016 starten.
Sind die älteren Männer nicht ziemlich festgefahren in ihren Sehgewohnheiten und Markenpräferenzen?
Katja Hofem: Dass hier noch Potenzial ist, haben wir bereits bei den reiferen Frauen gesehen. Die Generation 40 plus hat sich komplett gewandelt. Vor 20 Jahren waren auch die älteren Männer noch diejenigen, die ausschließlich mit öffentlich-rechtlichem Fernsehen aufgewachsen sind. Die heute reifere Generation ist mit dem Privatfernsehen und den neuen Medien groß geworden. Sie ist aktiv, neugierig und steht mitten im Leben. Unsere Zielgruppe interessiert sich für Geschichte, Politik, Natur und Technik. Im Moment gibt es im Free-TV kein konsequentes Angebot für ihre individuellen Bedürfnisse und ihr Lebensgefühl.
»2016 STARTEN WIR
EINEN NEUEN
DOKU-CHANNEL.«
Wie wird der neue Sender heißen?
Katja Hofem: Wir prüfen gerade verschiedene Namensoptionen. Der neue Sender wird in jedem Fall ein klares Versprechen abgeben und als reiner Doku-Channel der erste seiner Art im deutschen Free-TV sein – mit international erfolgreichen und hochwertigen Dokumentationen. Wir sehen definitiv Potenzial bei Zuschauern, die sich für das Genre Dokumentation interessieren.
Welches Investitionsvolumen ist dafür nötig?
Katja Hofem: Man muss vor allem Leidenschaft investieren und Zeit, um genau zu überlegen, wie sich der Sender anfühlen und wie er aussehen soll. Ich muss eine Zielgruppe und ein Markenbild im Kopf haben, bevor ich anfange, den Content zu konfektionieren. Bei dem Versuch, um vorhandene Inhalte herum eine Marke aufzubauen, sind schon einige amerikanische Unternehmen in Deutschland gescheitert. Wir gehen den umgekehrten Weg: Wir wissen, welche Interessen und Vorlieben unsere Zielgruppe hat, und stimmen die Inhalte darauf ab.
Wie viel Zuschauermarktanteil braucht ein neuer Sender, um Gewinn zu machen?
Katja Hofem: Die Ein-Prozent-Marke ist wichtig. Sie ist auch eine psychologische Schwelle, über die ein Sender kommen sollte, um im Werbemarkt als relevante Größe wahrgenommen zu werden.
Im Jahr 2015 haben sixx, SAT.1 Gold und ProSieben MAXX gemeinsam fast vier Prozent Marktanteil bei den 14- bis 49-jährigen Zuschauern erzielt. Ist da noch Luft nach oben?
Katja Hofem: Jeder unserer neuen Sender hat in seiner Zielgruppe noch Wachstumspotenzial. Wir haben zum Beispiel bei sixx gesehen, dass wir mit Eigenproduktionen wie „Horror Tattoos“ bis zu 4,1 Prozent Zuschauermarktanteil erzielen können. Es geht immer darum, den Nerv der Kernzielgruppe zu treffen und dennoch neue Zuschauer zu gewinnen. Bei SAT.1 Gold war die Entscheidung goldrichtig, von der rein deutsch-nostalgischen Ausrichtung ein Stück weit ins Internationale zu gehen, mit großen Herzformaten wie „Unsere kleine Farm“ und „Bonanza“. ProSieben MAXX holt gerade mit der National Football League die Kernzielgruppe perfekt ab und wird gleichzeitig breiter. Wir gehen davon aus, dass die neuen Sender langfristig einen gemeinsamen Marktanteilsbeitrag von sechs Prozent leisten werden.
Wie lassen sich die Zuschauermarktanteile am Werbemarkt kapitalisieren?
Katja Hofem: Gerade mit den Zielgruppensendern öffnen wir vielen neuen Werbekunden den Weg ins TV. Wir haben einige Printkunden, die aus Budgetgründen noch keinen großen TV-Sender buchen können, aber dennoch im Fernsehen werben möchten. Ihnen bieten wir bei sixx, SAT.1 Gold und ProSieben MAXX maßgeschneiderte Kommunikationslösungen in konsequent zielgruppenaffinen Umfeldern. Die neuen Sender leisten so einen wichtigen Beitrag, um den Werbemarkt für uns zu vergrößern. Insgesamt haben wir im vergangenen Jahr 139 Neukunden gewonnen.
STARKER AUFTRITT
44,4 % Bruttowerbemarktanteil
2015 erzielten SAT.1, ProSieben, kabel eins, sixx, SAT.1 Gold und ProSieben MAXX mit 29,5 Prozent den stärksten Zuschauermarktanteil seit zehn Jahren. Die kleineren Sender leisteten dazu einen wichtigen Beitrag. Am stärksten legte SAT.1 Gold mit einem Plus von 0,7 Prozentpunkten gegenüber dem Vorjahr zu. Gemeinsam kamen sixx, SAT.1 Gold und ProSieben MAXX auf 3,9 Prozent. Auch im TV-Werbemarkt baute die ProSiebenSat.1 Group ihre führende Position aus und erreichte einen Bruttomarktanteil von 44,4 Prozent.
Welchen Vorteil bieten Ihre Sender gegenüber anderen Wettbewerbern in der Vermarktung?
Katja Hofem: Hinter unserer Vermarktung steht die Power der gesamten Sendergruppe, die Möglichkeit, Formate über eine Vielzahl von Plattformen zu spielen und über Cross Promotion zu bewerben. Dazu kommt die Flexibilität, Neues auszuprobieren, wie das Branded-Entertainment-Format „Amorelie Love Lounge“ auf sixx, das bis zu fünf Prozent Marktanteil bei Frauen zwischen 14 und 39 Jahren erzielt hat. Wir bieten Werbekunden ein professionelles Netzwerk und eine breitere Präsenz. Damit sind die rund vier Prozent, die unsere kleinen Sender gemeinsam machen, tatsächlich mehr wert als bei anderen Vermarktern.
»SIXX, SAT.1 GOLD UND PROSIEBEN MAXX LIEGEN ÜBER DEN ERWARTUNGEN.«
ProSiebenSat.1 will die Diversifikation weiter vorantreiben, vor allem im Digitalgeschäft. Wie passen neue Free-TV-Sender in diese Strategie?
Katja Hofem: Das lineare Fernsehen ist die Basis unseres Geschäfts, weil Werbekunden nur hier in kurzer Zeit hohe Reichweiten aufbauen können. Wir starten einen weiteren Free-TV-Sender, da wir an die Zukunft des werbefinanzierten Fernsehens glauben. Wir werden unseren Gruppenmarktanteil weiter ausbauen und damit auch unsere Position im Wettbewerb stärken. Es gibt Tage, da erreichen wir deutlich über 30 Prozent der 14- bis 49-Jährigen mit einem Anteil der Kleinen von rund sechs Prozent. So stark kann man nur mit einer Vielzahl von Sendern im Portfolio wachsen. Gleichzeitig pushen wir damit unser Digitalgeschäft: Wir nutzen die Reichweite unserer TV-Sender auch, um eigene Angebote im Commerce- oder Digital-Entertainment-Bereich populär zu machen.
Worin sehen Sie die größte Herausforderung?
Katja Hofem: Wir müssen die Content-Pipelines schnell und gut für die Zukunft aufstellen und natürlich auch mit relevanten Inhalten füllen.
Ist die Senderfamilie damit komplett?
Katja Hofem: Die Fragmentierung hat ihre Grenzen und der Free-TV-Markt ist schon relativ dicht besetzt. Aber solange es noch Nischen gibt, werden wir sie frühzeitig mit attraktiven Angeboten besetzen.<